Sehr geehrte Senator*innen, sehr geehrte Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft. Weil wir um die Grundsubstanz unseres Studiums, den guten Ruf der Technischen Universität Hamburg und die Zukunft Hamburgs als Wissenschaftsstandort fürchten, sehen wir uns verpflichtet, die Ursachen dieser Furcht und unsere Perspektive dazu in die öffentliche und politische Auseinandersetzung zu tragen.

Deshalb wenden wir uns als Studierendenschaft der TUHH an Sie, um über das erschreckende Ausmaß der finanziellen Schieflage und die damit verbundene Gefährdung unseres Studiums zu berichten, denn wir verorten die Lösung dieser Probleme im Handlungsspielraum des Hamburger Senats.

Das jährlich wachsende, durch den Senat wissentlich verursachte Defizit der Hamburger Hochschulen gefährdet die Grundsubstanz unserer Universität. Durch die letzte Hochschulvereinbarung wurden Kosten- und Tarifsteigerungen der letzten sieben Jahre nicht ausreichend gedeckt. Reserven und HSP-Mittel, welche zum Ausgleich dieser immer größer werdenden Kluft eingesetzt wurden, sind an der TUHH längst vollständig aufgebraucht. Diese Verluste führen inzwischen zu einem Defizit von über 10 Mio. Euro pro Jahr.

Der TUHH wurde über Jahre hinweg immer wieder von der Politik zugesichert, dass zukünftige Gelder dieses Defizit kompensieren würden. Die bisherigen Gespräche zeigen jedoch keine entsprechenden Ergebnisse. Wegen der Pandemie sei es der zuständigen Behörde (BWFGB) nun nicht möglich, den nötigen Ausgleich zu schaffen. Stattdessen wurde die TUHH aufgefordert, ohne zusätzliche Mittel einen ausgeglichenen Haushalt für die kommenden Jahre vorzulegen und damit das Defizit in bestehenden Strukturen einzusparen.

Diese Forderung der Behörde halten wir für unhaltbar und sie bringt im Kontext der vergangenen Zusicherungen einen fundamentalen Vertrauensverlust mit sich.

Einsparungen dieser Größenordnung würden folgenschwere Schäden an der Grundsubstanz und dem Ruf der TUHH verursachen. Grundlagenvorlesungen wie Tragwerke oder Thermodynamik könnten in Gefahr geraten, wodurch Studierende der Studiengänge Allgemeine Ingenieurwissenschaften, Bauingenieurwesen, Bioverfahrenstechnik, Engineering Science, Maschinenbau und Verfahrenstechnik ihr Bachelor-Studium nicht mehr, verspätet oder mit schlechter Qualität abschließen könnten. Allein das Verhandeln um die eventuelle Aussetzung von Professuren in Grundlagenfächern ist absolut erschütternd. Selbst ein vermeintliches Zugeständnis dieser Nachbesetzungen gewährleistet lediglich das rudimentärste Ausbildungsniveau der entsprechenden Ingenieur*innen.

2018 verabschiedete der Hamburger Senat das Wachstumsprogramm der TUHH mit 17 Wachstumsprofessuren, welches auf der entsprechenden Drucksache der Bürgerschaft fußt. Wir sehen diesen Wachstumspfad in Gefahr, wenn parallel dazu der Grundhaushalt nicht gedeckt ist. 2019 mussten bereits, in Abstimmung mit der BWFGB, nicht verwendete Wachstumsmittel zur Reduzierung des Bilanzverlustes eingesetzt werden. Ohne weitere Wachstumsmittel könnten nur maximal 10 der 17 geplanten Wachstumsprofessuren umgesetzt werden. Infrage gestellt wird unter anderem die Ethik-Professur, welche Kernbestandteil des frisch eingeführten Studiengangs Data Science ist. Das Ausbleiben dieser seit langem versprochenen Professur wäre ein moralisches Armutszeugnis. Wegfallen würde auch die geplante Einführung des digitalen Maschinenbaus. Dies stellt einen herben Rückschlag für eine zukunftsorientierte Technische Universität dar. Die Einsparung von Professuren in der Informatik und Energiesystemforschung, sowie ein Ausschreibungsstopp von weiteren Professuren macht Exzellenz undenkbar und ein Aufholen zu renommierten Universitäten in absehbarer Zeit unmöglich. Ein erfolgreiches Wachstum der TUHH und eine erfolgreiche Zukunft des Wissenschaftsstandorts Hamburg kann nur auf der Basis ausfinanzierter Grundstrukturen gewährleistet werden.

Wir halten die Forderungen der Behörde dabei für besonders zynisch, da sich die TUHH bereits seit Jahren auf einem Sparkurs befindet. Seit 1999 hat sich, den Ziel- und Leistungsvereinbarungen zwischen Universität und Behörde folgend, die Zahl der Studierenden (3738 ➔ 7698) mehr als verdoppelt, während die Anzahl der grundfinanzierten Professor*innen (101 ➔ 89) gefallen und die Anzahl der grundfinanzierten wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen (170 ➔ 253) und Oberingenieur*innen (55 ➔ 60,5) nicht ausreichend gestiegen ist. Diese Entwicklungen verdeutlichen, wie die Einsparungen sowie der erforderliche, aber nicht mögliche, personelle Ausbau die Bedingungen für qualitativ hochwertige Lehre an der TUHH beeinträchtigen. Wünschenswert wären vielmehr weitere Investitionen in die Qualität der Lehre und bessere Betreuungsrelationen.

Dass dieses Herunterwirtschaften erst jetzt negative Konsequenzen hat, wäre eine falsche Einschätzung der Situation, denn bereits in den letzten Jahren kam es unter anderem zu Vakanzen von Professuren und folglich lückenhaften Ausbildungen. Beispielhaft wurden seit Jahren Informatiker*innen ausgebildet, die niemals die Möglichkeit des Besuchs einer Vorlesung über Datenbanken hatten. Dieser Umstand ist im Zeitalter von Big Data und Machine Learning absolut peinlich.

Als generelle Konsequenz sind die Institute seit Jahren gezwungen ihre Veranstaltungen nach dem Prinzip der Massenabfertigung durchzuführen. Eine konkrete Manifestation dieses Problems zeigt sich in einer annähernden Alternativlosigkeit bei Prüfungsformen im Bachelor. Die Massenklausur als ökonomisch ansprechendste und didaktisch sinnlose Prüfungsform dominiert das Bachelor-Studium unangefochten. Derzeit sorgt es zusätzlich für eine massive Gesundheitsgefährdung der Studierenden, da diese zwangsweise an Prüfungen in Präsenz teilnehmen müssen, wenn sie ihren Studienfortschritt nicht gefährden wollen. 

Wie kann es sein, dass in diesem Kontext im November 2020 mit 60 Mio. Euro für die Sanierung von Hochschulgebäuden geworben wurde, wobei diese Finanzierung lediglich eine längst überfällige Instandhaltung der Universitätsgebäude darstellt? Und mit welcher Unverschämtheit kann man im Angesicht dieser Umstände eine Selbstverständlichkeit als „Konjunkturpaket für die Wissenschaft“ betiteln und damit den Eindruck erwecken, die Hochschulen würden bereits in großem Umfang finanziell unterstützt werden? Als Konjunkturpaket kann man das definitiv nicht bezeichnen.

Angesichts der akuten Gefahr für unsere Universität fordern wir den Senat und die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg auf, die Grundfinanzierung der TUHH sicherzustellen und Tarifsteigerungen in Zukunft vollständig auszugleichen. Ohne eine Anpassung der Grundfinanzierung ist die Struktur der TUHH grundlegend gefährdet. Der Ruf der TUHH bei den Studierenden hat bereits massiv gelitten. Das Umdisponieren von Wachstums- und Lehrmitteln führt zu einem direkten Rückschritt für den Wissenschaftsstandort Hamburg. Wir fordern Sie auf, die Studierbarkeit aller unserer Studiengänge sicherzustellen und die Qualität der Lehre zu gewährleisten.

Die Studierendenschaft der TUHH, vertreten durch

  • Marius Stübbe, Präsident des Studierendenparlaments
  • Georg Spies, 1. Vorsitz des Allgemeinen Studierendenausschusses
  • Kolja Eggers, studentischer Vertreter im Akademischen Senat
  • Alexander Seeling, studentischer Vertreter im Akademischen Senat
  • Tobias Marschner, studentischer Vertreter im Akademischen Senat
  • Mareike Wendelmuth, studentische Vertreterin im Akademischen Senat

Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an kontakt@asta.tuhh.de.