Aktuell läuft die neue Marketingkampagne der TUHH, besonders über ihre Socialmedia-Kanäle massiv an. Im Zuge dessen gab die Technische Universität Hamburg bekannt, dass sie „[..] gemeinsam mit den Hamburger Umwelt Partnern Unilever, Veolia, Budnikowsky und der Stadtreinigung […] gerade an einem Projekt [arbeitet], dass den Weg [für] Hamburgs Wertstoff-Initiative [ebnet]. Ziel ist es, eine Flasche vollständig aus recyceltem Kunststoffabfall herzustellen“ [1].

Das Studierendenparlament (StuPa) und der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der TUHH kritisieren die Zusammenarbeit der TUHH mit Unilever und Veolia, sowie die Darstellung der TUHH in den Beiträgen der Kampagne und fordern die TUHH auf, dass wenn eine Zusammenarbeit mit den Unternehmen sich nicht vermeiden lässt, zumindest eine Werbung mit und für diese Unternehmen zu unterlassen sei und in Zukunft priorisiert Kooperationen mit nachhaltigen Unternehmen einzugehen.

Wer mit Nachhaltigkeit wirbt, muss Nachhaltigkeit auch leben

„Die TUHH ist eine wettbewerbsorientierte, familiengerecht und nachhaltig handelnde Universität mit hohem Leistungs- und Qualitätsanspruch, die in der Grundlagenforschung und ihren Kompetenzfeldern Forschungsexzellenz anstrebt.“, so beschreibt die TUHH sich selbst [2].

Eines von drei der Kompetenzfelder der TUHH sind die Green Technologies [2]. Zum Wintersemester 2020/ 21 werden bisher die Studiengänge Bioverfahrenstechnik, Energie und Umwelttechnik, sowie Verfahrenstechnik als ausdrücklich nachhaltige Studiengänge beworben. Selbst bei den Studiengängen Elektrotechnik und Schiffbau zeichnet die TUHH nachhaltige Inhalte aus, welche de facto nicht Teil des Studiums sind [3]. Die Zusammenarbeit mit Fridays for Future wird ebenfalls auf Instagram befeuert und Studierende werden eingeladen „Macher*in für die Energiewende“ zu werden [4].

Grundsätzlich begrüßen wir eine Selbstverpflichtung zur Nachhaltigkeit und ein entsprechendes Selbstverständnis sehr. Doch wer mit Nachhaltigkeit wirbt und diese als Kern von Forschung und Studium präsentiert, muss diese auch tatsächlich leben. Als Mitglieder der Universität zeigt sich uns in der aktuellen Selbstdarstellung der TUHH eine gravierende Janusköpfigkeit.

Trotz der Fokussierung der Nachhaltigkeit in der Werbekampagne arbeitet die TUHH mit nachweißlich nicht nachhaltig handelnden Unternehmen, wie beispielsweise Unilever und Veolia zusammen. Trotz einer Ausrichtung der Werbekampagne an Studieninteressierte, denen Nachhaltigkeit am Herzen liegt, weisen die beworbenen Studiengänge wenige bis keine Module auf, in denen Nachhaltigkeit auch tatsächlich thematisiert wird.

Unilever steht in Verbindung mit katastrophalen Bränden in Indonesien und Quecksilbervergiftungen in Indien

Unilever gehört zu den führenden Konsumgüterherstellern der Welt und hat versprochen bis 2020, die weitere Regenwaldzerstörung bei der Palmölgewinnung zu unterlassen. Dieses Versprechen stellte sich inzwischen jedoch als leeres Versprechen heraus, denn Unilever kauft trotzdem „Palmöl von Plantagen, gegen die im Zusammenhang mit den diesjährigen Feuern sowie den Feuern der vergangenen Jahre ermittelt wird“ Unilever bezieht noch immer Palmöl von 20 Flächen, auf denen der Palmölanbau, aufgrund der Ermittlungen von der indonesischen Regierung verboten wurde [5].

Zudem wurde in Indien mit Quecksilber kontaminiertes Glas aus der Thermometerherstellung nicht fachgerecht entsorgt. Eine Entsorgung fand erst ein Jahr nach der Aufdeckung des Skandals statt. „Die ehemaligen Arbeiter*innen sagen, sie warten bis heute auf eine Entschädigung. Man habe ihnen damals keine Schutzkleidung gegeben und sie nicht aufgeklärt über den giftigen Stoff, mit dem sie hantierten. Sie und ihre Kinder würden bis heute unter den gesundheitlichen Folgen der Quecksilberbelastung leiden“ [6].

Veolia verkauft Grundrechtsgüter im großen Stil und verseucht die Umwelt mit Müll

Veolia verdient die Hälfte ihres Jahresumsatzes mit Trinkwasserversorgung und Abwasserklärung und steht wegen teurer Wasserpreise, mangelnder Kanalwartung, Korruption, unerlaubter Parteienfinanzierung und allzu enger Verflechtungen mit der Politik in der Kritik [7].

Veolias Tochterunternehmen SEEG hatte einen Vertrag mit der gabunischen Regierung, um die Wasserversorgung in Gabun aufzubauen. Das Unternehmen wurde von der gabunischen Regierung jedoch enteignet, nachdem auf dem Firmengelände massive Umweltschäden festgestellt wurden [8] [9].

Auch in den USA kam es zu einer Klage gegen Veolia. Die Stadt Flint hatte die Firma mit der Überprüfung der Trinkwasserqualität beauftragt. Die Einwohner der Stadt werfen der Firma vor wissentlich den giftigen Bleigehalt des Wassers verschleiert und trotz der Gefährdung für die Einwohner*innen, eine Unbedenklichkeit des Trinkwassers ausgezeichnet zu haben [10].

Veolia ist überdies in Illegale Müllentsorgungsskandale verwickelt. So entsorgten sie Altlasten eines Fahrzeugwerks nicht ordnungsgemäß und wurden daraufhin zu einer Strafe von 200 000€ verurteilt. Außerdem entsorgten sie 2012 900 000 Tonnen Hausmüll in einem dafür nicht geeigneten Lager. Sie nahmen dabei wissentlich massive Umweltschäden in Kauf, um bei der Entsorgung 30 Millionen€ zu sparen. Im folgenden Gerichtsprozess kamen sie in einem Vergleich mit einer Strafe von 7,5 Mio.€ davon [11] [12].

Die trügerische Marketingkampagne kann so nicht weitergehen

Es ist aus unserer subjektiven Perspektive nicht zu begrüßen, dass die TUHH im Sinne einer pragmatischen Dual-Use Überzeugung auch auf Kooperationen mit nachhaltig und moralisch zumindest fragwürdigen Unternehmen setzt, um die Forschung nachhaltiger Technologien zu finanzieren und in Ihren Studiengängen zu Gunsten einer technischen Bildung auf ethische und nachhaltige Studieninhalte verzichtet. Dennoch ist dies zunächst eine diskutierbare Position, die sich in den letzten Jahren –so viel muss man durchaus positiv herausstellen- zunehmend wandelt. Doch von Nachhaltigkeit in Forschung und Bildung umfangreich zu leben, kann zu mindestens zum jetzigen Zeitpunkt nicht die Rede sein. Deswegen erscheint uns die aktuelle Werbekampagne heuchlerisch und stellt im Kontext des Informationscharakters für Studieninteressierte schlicht eine Fehlinformation dar. Wer an die TUHH in dem Verständnis kommt, konkret etwas über Nachhaltigkeit zu lernen, diese als integralen Bestandteil der Wissens- und Kompetenzvermittlung zu erfahren und eine Kultur von nachhaltigem und progressiven Denken und Handeln vorzufinden, wird wohl eine herbe Enttäuschung erfahren. Dies ist von uns nicht nur nicht zu begrüßen, sondern nicht zu akzeptieren. Daher fordern wir die Verantwortlichen auf, sich in der Außendarstellung auf die realen Kompetenzen der TUHH zurückzubesinnen und kein, der faktischen Wirklichkeit entgegenstehendes Bild, zu zeichnen, das eine kurze Auseinandersetzung mit ihren Kooperationspartnern und spätestens der Antritt eines Studiums an der TUHH mühelos entlarvt.

Verweise

  1. Umwelt Partnerschaft Hamburg (UPHH), „Aus Hamburg für Hamburg: vollständig recycelte Flasche kommt,“ Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft – Hansestadt Hamburg, 11 August 2020. [Online]. Available: https://www.hamburg.de/kreislaufwirtschaft/13590988/hamburg-flasche/. [Zugriff am 14 August 2020].
  2. P. D. E. Brinksma, „TUHH Broschüre – Technische Universität Hamburg,“ März 2018. [Online]. Available: https://www.tuhh.de/t3resources/tuhh/download/universitaet/TUHH-Broschuere.pdf.
    [Zugriff am 11 August 2020].
  3. Tehnische Universität Hamburg, „Studien- und Prüfungsordnungen,“ [Online]. Available: https://studienplaene.tuhh.de/. [Zugriff am 11 08 2020].
  4. Technische Universität Hamburg, „Instagram TUHH,“ Instagram, [Online]. Available: https://www.instagram.com/tuhamburg/. [Zugriff am 11 08 2020].
  5. Greenpeace, „VERSPRECHEN IN RAUCH AUFGELÖST,“ Greenpeace, [Online]. Available: https://www.greenpeace.de/themen/waelder/versprechen-rauch-aufgeloest. [Zugriff am 11 08 2020].
  6. K. Langhans, „Rappen gegen Unilever,“ Süddeutsche Zeitung, 05 08 2015. [Online]. Available: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nahaufnahme-rappen-gegen-unilever-1.2594769.
    [Zugriff am 14 08 2020].
  7. Deutschlandfunk, „Frankreichs umstrittener Wasser-Riese,“ Deutschlandfunk, [Online]. Available: https://www.deutschlandfunk.de/serie-wer-verdient-am-wasser-frankreichs-umstrittener.1197.de.html?dram:article_id=296302#:~:text=Tats%C3%A4chlich%20hat%20Veolia%20in%20den,enge%20Verflechtungen%20mit%20der%20Politik. [Zugriff am 11 08 2020].
  8. Eil d’afrique, „Le Gabon accuse Veolia de pollution,“ Eil d’afrique, 27 02 2018. [Online]. Available: https://oeildafrique.com/economie/le-gabon-accuse-veolia-de-pollution/. [Zugriff am 14 08 2020].[9]L’Usine Nouvelle, „Veolia accusée de pollution par le Gabon,“ L’Usine Nouvelle, 28 02 2018. [Online]. Available: https://www.usinenouvelle.com/article/veolia-accusee-de-pollution-par-le-gabon.N659604. [Zugriff am 14 08 2020].
  9. B. Klayman, „MÄRKTE 10-Vorwürfe in US-Wasserskandal setzen Veolia unter Druck,“ reuters, 16 06 2016. [Online]. Available: https://de.reuters.com/article/mrkte-veolia-idDEL8N19F2XS. [Zugriff am 14 08 2020].
  10. J. Lüdeking, „Umweltskandal: Ex-Manager aus Herford in Stendal vor Gericht,“ neue westfälische, 29 04 2016. [Online]. Available: https://www.nw.de/lokal/kreis_herford/herford/20779055_Muell-Manager-vor-Gericht.html. [Zugriff am 14 08 2020].
  11. Handelsblatt, „Umweltskandal belastet Veolia,“ Handelsblatt, 02 06 2014. [Online]. Available: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/dienstleister/franzoesischer-grosskonzern-umweltskandal-belastet-veolia/9979646.html. [Zugriff am 14 08 2020].
  12. greenpeace.de, „UNILEVERS QUECKSILBRIGES ERBE,“ greenpeace.de, 03 09 2004. [Online]. Available: https://www.greenpeace.de/themen/endlager-umwelt/unilevers-quecksilbriges-erbe. [Zugriff am 14 08 2020].